filser

 

Christa Filser, Rosebud, Mixed Media on Paper, 83 x69 cm

 

Packungsbeilage – Informationen und Merkmale der künstlerischen Arbeiten Christa Filsers

Das bildnerische Repertoire von Christa Filser ist vielfältig. In der Ausstellung „Packungsbeilage“ bedient die Künstlerin die Gattungen Collage, Fotografie und Objekt. Motivisch trifft der Betrachter in erster Linie Porträts an, deren Gestalten fiktiven, hybriden und surrealen Welten angehören und durch ihr inszeniertes Rollenspiel einen ironisch-kritischen Blick auf die Spezies Mensch und dessen Habitus werfen. Die multiplen Rollen, welche die Figuren in Filsers Arbeiten übernehmen mögen eine Ursache darin haben, dass die Künstlerin ihre formale Ausbildung an der Deutschen Meisterschule für Mode genossen hat. In den Porträt-Collagen, die aus Versatzstücken verschiedener Motive und Materialien bestehen und in gemalte oder tapezierte Fonds gelegt sind, kommt man mit den Möglichkeiten des personalen Rollenwechsels auf Tuchfühlung. Bei eingehender Beschäftigung mit den Werken der Künstlerin fällt auf, dass es einen deutlichen Unterschied gibt zwischen dem, was man oberflächlich und materiell sehen kann und dem, was sich darunter verbirgt. Christa Filser inszeniert nicht nur, sondern sie beobachtet und kommentiert durch ihr Bildpersonal vehement menschliches Leben und Verhaltensmuster. Der Weg zum Ziel führt über das Rollenspiel ihrer Protagonisten. In den neuen Arbeiten gehört zum ausgewählten Kreis der „Mad Hatter“ (2011). Filser stützt sich in dieser Porträt-Collage auf die legendäre und fiktive Figur „mad hatter“, die in US-amerikanischen Comics auftritt. Mad Hatter ist ein Gegenspieler zu Batman und setzt weniger auf den körperlichen Einsatz als vielmehr auf den geistigen, allerdings mit Hinterlist und Tücke. Das Materialbild präsentiert ein clowneskes Gesicht aus gerissenen Papierfetzen mit feuerroten Haaren und einer opulenten zylindrischen Hutkonstruktion im Format des Brustbildes. Mad Hatter hält sich vor einem in grüner Farbe gehaltenen Hintergrund auf und erhofft sich durch eine Tasse Tee die nötige Erfrischung. Das Heissgetränk, in diesem Fall wohl eher ein Gebräu mit nicht überlieferter Rezeptur, scheint für die offensichtliche Nebenwirkung resp. das Krankheitsbild verantwortlich zu sein, welche insbesondere in der Physiognomie und den pathologisch aufgerissenen und verfärbten Augen erkennbar wird. In der Mehrzahl der Rollen ist die Figur des Mad Hatter ein geisteskranker Tüftler, der mit eigentlichem Namen Jervis Tetch heißt. Tetch ist von Lewis Carrolls Kinderbuch „Alice im Wunderland“ besessen, dem er auch seinen kriminellen Decknamen entliehen hat. Seine Verbrechen stehen in der Regel in einem Zusammenhang zu diesem Buch oder dem Themenkomplex „Hüte und Hutmacherkunst“. Das Krankheitsbild unter dem Tetch leidet wird zumeist als eine zwanghafte, psychotisch-manische Depression umschrieben, die mit Elementen der Schizophrenie sowie gelegentlich auch mit pädophilen Neigungen durchsetzt ist. Letztere kommen unter anderem in seiner Vorliebe für kleine Alicen, d.h. kleine Mädchen zum Ausdruck. Nach seinen Schöpfern ist der Mad Hatter 1,72 m groß und wiegt 67 kg. Seine Augenfarbe ist blau, seine Haarfarbe orange-rot. Das äußere Erscheinungsbild des Hatters bleibt aufgrund seiner Kleidung, die sich stets den Topoi von Carrolls Alice-Büchern ausrichtet, zwar stets wieder erkennbar, ist aber einem permanenten Wandel unterworfen. Im Medium der Collage stellt Filser aspekthaft eine menschliche Welt der Andersheit und des Rollenspiels auf und schafft es so, den Betrachter jenseits des imaginären Feldes zu verzaubern und ihn diesseits von Kunst anzusprechen. Sie lockt ihn in eine ereignisreiche Welt der Fiktionalität, so dass er glaubt, hier werde von der Künstlerin ein wirklicher Anblick zur Sichtbarkeit gebracht und in dem dargestellten Sachverhalt eine Tatsache bezeugt. Man ahnt in der Synchronizität des allmählichen Eruierens der Wahrnehmungsinhalte und des Erlebens eines gemeinten Sinnes, was die Künstlerin im Blick hat: der Mensch zwischen den Welten. Das künstlerische Bild, wie beispielsweise die kleinformatige Collage „Alice im Wunderland“ (2010) wird bei Filser zum Beweis für ihr Interesse, Leben in einer fiktionalen Welt zu demonstrieren. Die Figuration entspricht dabei ihrer Ausdrucksintention, in dem sie die Bildidee in einer emotional indifferenten, konnotierten Bildlichkeit niederlegt. Alice kommt in der Collage als eine Art Mischwesen aus Barbie, Kind und Model dahergelaufen. Ihre Designersonnenbrille steckt in einem nicht identifizierbaren Hut und in ihrer Rechten hält sie lässig ein vegetabiles Gebilde, das wie eine Wünschelroute der mageren Vegetation in dem in Orange gehaltenen Bildraum zu folgen scheint. Man schluckt als Betrachter die Kröte der absurden Fiktionalität ebenso leicht wie die sogar in das Politische verweisende Diktion der Collage „Lobby Commander“. In dem großformatigen Materialbild „Maude Berenger“ (2011) widmet sich Filser dem Thema Frau. Bei ihrer Mitarbeit am „Marlene Dietrich-Projekt“ der österreichischen Künstlerin Irene Andessner im Jahr 2001 speichert Filser das künstlerische Credo der Kollegin auf ihrer Festplatte ab: „Ich bediene ein Bild der Frau, das sich andere machen“. „Maude Berenger“ begegnet dem Betrachter als Frau des Tages mit mindestens drei oder doch multiplen Gesichtern. Neben den linken und rechten Gesichtsprofilen, provoziert im Enface als Maske der mit Brillanten besetzte Totenschädel Damien Hirsts. Nobilitiert wird dieses spezielle weibliche Gesicht in aller Simultanität mit einem Nimbus, der sich aus aufgeklebten und entlehnten Worten der Mode und des Glamours generiert. Die zynische Welt der Äußerlichkeiten fordert von der Frau ein, stets den Schein zu wahren. In der Rolle des Pendants, für die Nacht, fungiert „Liz Pinchman“ (2011). Auch diese übermenschengroße weibliche Figur scheint eine Angehörige einer Zwischenwelt zu sein. Die collagierte Königin der Nacht, die mit einem schwarzen Overall, langen schwarzen Stiefeln und einer katzenartigen Gesichtsmaske ausstaffiert ist, bleibt ein anonymes Wesen. Gerade in der Nacht feiern die Wildheit und der Trieb des Menschen ein Fest. Liz Pinchman überzeugt in ihrer Rolle. Ihre Bühne ist eine Referenz an den amerikanischen Sternenbanner, die Skyline und den Highway, auf dem sie weniger steht als vielmehr knapp darüber zu schweben scheint. Das weibliche Duo wird komplettiert durch ihren Begleiter, den „Lobby Commander“ (2011). Auch wenn der Name dieser männlichen Spezies doch sehr assoziativ ist, wird hier jedoch eher der „homo faber“ auf den Laufsteg geschickt. Der Typus des Managers in Gestik, Habitus und Mimik bestimmt das Alltagsgeschäft und zeigt, wo es lang geht. Dresscode: schwarzer Businessanzug, Krawatte und polierte Schuhe, die jedoch wie vereist ausschauen. Seine Welt besteht aus Börsenkursen, Gewinnmaximierung und Dollarnoten mit denen man alles kaufen kann, auch Frauen. Auffällig ist aber, dass diesem zeitgenössischen „homo faber“, Hörner aufgesetzt werden in Form von zwei kleinen Bäumen auf seinem Kopf. Diese Bildmontage verleiht einen kritischen, gar umweltpolitischen Ton. Bei aller Geschäftigkeit ist es die Natur, welche die Macht besitzt uns Hörner aufzusetzen. Hier fühlt sich der vom Anblick der bizarren und suggestiven Collage geforderte Betrachter genötigt, seine persönlichen Erinnerungen aus dem Alltag ins Spiel zu bringen. Die Bildwelt der künstlerischen Arbeiten Christa Filsers ist mit Phantasiegestalten, Comic- und Märchenfiguren bevölkert, die durch ihr Rollenspiel die Schauplätze des Tages nachspielen. Die Vorgehensweise der Künstlerin im Setzen auf die Skurrilität des Alltags ist so subtil, dass man den absurden Humor erst dann merkt, wenn man die Fiktionalität der Darstellung schon in sich mit Wirklichkeitswert angenommen hat. Die Intensität und Präsenz eines Zwischenraums, ein Dazwischen, welches sich in dem Spannungsfeld zwischen Realitätsanspielung und fiktionalem Sein erstreckt, lebt in den Collagen, Objekten und fotografischen Ideenentwürfen der Künstlerin auf.

Stefan-Maria Mittendorf M.A. Kunsthistoriker und Kurator

 

 

2013 “Konkret Expressiv”, Galerie Thomas Punzmann Fine Arts, Frankfurt

2012 Jahresgaben, Halle50, Domagkateliers, München Sommer-Rambaldi Ausstellung in der Wiede-Fabrik

2011 Hypo Vereinsbank – UniCredit, Filiale Reichenbachplatz (EA) Packungsbeilage, Galerie Filser & gräf, München (EA) PLASMA, apARTment, Galerie Filser & Gräf, München

2010 Kunstverein Ebersberg Munich Contempo, Postpalast München Gesichter schwarz/weiß, apARTment, Filser & Gräf 2009 Gemeinschaftsatelier „Adlzreiterstr.“, München

2008 „Peripheria“ – Galerie Filser & Gräf 2006 „Engel und Andere“ Collagen und Malerei P11 Anwaltskanzlei, Prannerstrasse München „Licht im Dunkel“ Fotoarbeiten auf Alu-Bond „New York“ Videoarbeit

2005 „Augenblicke“ MedienHafen Düsseldorf „Essen wie Kinder“ Fotoarbeiten sowie Videoarbeit, MedienHafen Düsseldorf 2004 „People“ Jahresausstellung Düsseldorf, MedienHafen, Firma Goeke „Augenblicke“ Fotoarbeiten auf Filz sowie Videoarbeit, Umspannwerk München

2003 „Bar“ großformatige Fotoarbeiten, Wasserburg Kellnerei in Düsseldorf

2002 Mitarbeit am Filmprojekt „Skript“ von Moritz Neumayr

2001 6 Monate Mitarbeit am „Marlene Dietrich“ Projekt der Künstlerin Irene Andesser

2000 „Flüchtige Begegnungen“ Fotoarbeiten sowie Videoarbeit, Galerie im Innenhof, Lindau

1999 „Strandgut“ Fotoarbeiten, Galerie im Innenhof, Lindau